Sonntag, 13. September 2015

Mein Auslandstagebuch #7: "Du bist nicht mehr in Kansas, Dorothy..."

Oder eben
"Du bist nicht mehr in Deutschland, Lily!"

Kanada ist anders.
Nicht besser, nicht schlechter einfach nur anders...
Die Schule ist anders.
Das Essen ist anders.
Du kannst dich ohne Auto eigentlich nicht  bewegen. 
Die Schokolade ist bäh. 
Das Brot ist noch mehr Bäh.
Die Leute sind alle gruselig freundlich.
Die Orte sind anders aufgebaut.
Die Sachen wirken alle unfassbar teuer, ist es aber eigentlich nicht.

Fangen wir mal mit dem für mich größten Unterschied an.
Ohne Auto bist du am Arsch.
Oder sitzt am Arsch (der Welt) fest.
Zum Supermarkt? Fährt man mit dem Auto.
Zum Shoppen? Fährt man mit dem Auto.
Zur Schule? Fährt man mit dem Auto.
Zu den Nachbarn, die selbst zu Fuß kaum 5 Minuten wegwohnen? Fährt man mit dem Auto.
Das bei uns eigentlich so typische "In den Bus hüpfen und weg" gibt es nicht.
Die einzigen Busse, die fahren, außer du wohnst mitten im Stadtzentrum, sind Schulbusse.
Du willst in die Mall, hast aber niemanden der dich fahren kann?
Adios Traum des Shoppen am Sonntag...
Der aber reintheoretisch kein Traum ist.
Die Läden hier haben eigentlich nur über Nacht zu.
Sonntag in die Mall? Klar, kein Problem! 
Lebensmittel einkaufen am Mittwochabend um 10? Warum nicht?

Kanadier sind genauso ekelhaft freundlich wie alle immer behaupten. Sie streiten nicht, sie fluchen nicht, sie lachen sich nicht gegenseitig aus...
Ich habe mit meiner Ankunft vermutlich den Sarkasmuspegel von Kanada um Höhen angehoben.
Nein, vermutlich mussten sie erst mit meiner Ankunft einen Sarkasmuspegel einrichten...
Als ich neulich einen Typen aus meinem Schulbus gefragt habe, ob Kanadiern eigentlich fluchen könnten, meinte er so: Können ja, tun nein.
Ich bin im falschen Land gelandet...
Wenigstens gibt es noch ein paar andere Deutsche, die ähnlich aufgeschmissen sind in dieser befremdtlichen Freundlichkeit.

Alle Kanadier träumen von den deutschen Autobahnen.
Einem Typen aus meinem Chemie- und aus meinem Sportskurs wurde letzte Woche sein Führerschein abgenommen, weil er 105 km/h anstatt den erlaubten 100 km/h gefahren ist. 
Kein Führerschein für einen Monat.
Insgesamt ist 100 km/h das schnellste, das man hier fahren darf. 
Bei 150 km/h verliert man den Führerschein für *Trommelwirbel* (Leute, ich habe Trommelwirbel gesagt... Glaubt ihr ich merke nicht, wenn ihr einfach weiter lest?! Das Thema hatten wir doch schon beim letzten Mal...) ein, ich wiederhole ein scheißverdammtes (ihr glaubt garnicht wie gut es tut scheißverdammt zu sagen... Eine echte Erleichterung... Fast so gut wie gestern, als ich Rosies On-Off-Schwarm beleidigen durfte... Aber wieder zurück zum Thema.) J A H R!
Könnt ihr euch das vorstellen?!
Außerdem habe ich gelernt, dass man von hier bis nach Florida 2 1/2 Tage braucht... (Ich kenn jemanden, der gerade in Florida ist!!!!!!! #jajaichweißichbinwasbesonderes...)

Let's talk about Food.
Das Essen hier ist anders. 
Gemüse? Wirs weitgehends vermieden.
Mais? Der Renner.
Nudeln? Immer.
Toast? Dein bester Freund.
Das Essen hier ist einfach sättigender. Hier ist Mais ein fester Bestandteil mindestens zweier Mahlzeiten pro Woche. Ich bin jetzt seit 12 Tagen hier und hatte schon 4 mal Mais.
Gemüse gabs fast garnicht. Und wenn doch, dann war es Salat zu gekleistert mit Mayo... (Und heute gab es komische Bohnen. Zumindest hat meine Gastmom behauptet es sein Bohnen. Die waren aber komisch ausgeblichen, auch wenn sie die normale Form hatten. Wenn mir also morgen ein zweiter Kopf wächst, dann lag es an den Bohnen!!!!! #alienbohnen #bleibtvorsichtig!!!)
Bei meinem Infotreffen meinte der Typ das schlechteste an Kanada sei das Brot. Und das zweitschlimmste sei auch das Brot.
Und ein Returnee meinte, Toast würde unser bester Freund werden.
Und ich war so: Waaaaas?! Neee, so schlecht ist das Brot sicher nicht!
Darf ich euch nun meinen neuen besten Freund vorstellen?
Leute, das ist Toast. Toast, das sind die Leute.

Irgendwie heule ich in diesem Post nur rum... (Der Heul-Post kommt noch...) 
Also jetzt ein paar WIRKLICH gute Sachen... 
Schule: 
1. WLan
2. WLan
3. WLan

Alle haben in der Schule WLan. Du darfst dein Handy im Unterricht benutzen. Und dein Laptop auch. Und auch dein Tablet.
Du kannst auch im Unterricht Musik hören. Alles.

4. Fächer

Die Fächer sind einfach cool. Du kannst Technology Design belegen, Modedesign und Fotographie.
Ich habe einen Sportkurs, mit dem wir in drei Wochen einen Kanu-Camping-Trip machen. Für vier Tage.
Außerdem gehen wir Ski fahren und machen Bogenschießen...

5. Lehrer

Die Sache mit den Lehrern stimmt einfach. Die Lehrer hier wollen dir helfen. Du kannst sie in Freistunden um Hilfe bitten, du kannst sie in ihrer Mittagspause um Hilfe bitten oder Lehrer fragen, die du garnicht hast. Die Lehrer hier wollen, dass du gute Noten schreibst.
Sie wollen, dass du ihren Kurs bestehst. Und sie helfen dir dabei das zu schaffen.
Und zwar ohne dir den "Geh-doch-sterben-du-kleiner-Pisser"-Blick zu geben.

6. Die Mitschüler

Was ich unglaublich toll finde hier in Kanada ist, dass hier die neunten Klassen mit den zwölften abhängen oder besser gesagt die zwölften mit den neunten. Jeder ist mit jedem befreundet, oder kann zumindest mit jedem befreundet sein.
Du kannst eh keinen Überblick behalten, wer in welcher Stufe ist, du kannst nur wissen, wer in deinem Kurs ist.
Ich bin jetzt schon sicher, dass es Leute geben wird, die ich bis zum Ende des Jahrs nie gesehen haben werde, weil sie andere Hobbys haben als ich und andere Kurse auf anderen Leveln belegt haben als ich. 
Aber ich werde auch Leute kennenlernen (beziehungsweise habe teilweise auch schob Leute kennengelernt) die viel älter oder jünger sind als ich und mit allen wird hier im gleichen Ton geredet. Die Oberstufe stellt sich hier nicht auf ein Podest und gibt allen den: Ich-bin-jetzt-12- Blick, sondern fällt manchmal unter lauter 9 und 10 Klässlern garnicht auf.

Aber manchmal habe ich einfach diese "Du bist nicht mehr in Kansas, Dorothy!"-Momente.
Als ich am Wochenende zum Beispiel in den Wald bin, nur um auf einen Haufen Bäume, aber keine anständigen Wege oder gar Schilder gestoßen bin.
(Ich könnte euch jetzt noch viiiiieeeel mehr vob Samstag erzählen, aber ihr wisst doch, Rosie muss alles zu erst erfahren...)
Als ich neulich ein Eis am Drive-thru gekauft habe. 
Als mir ein Typ hier erzählt hat, dass so 16 Stunden mit dem Auto eine lange Fahrtnfür ihn wären, allerdings nur, wenn er allein fährt.
Als der gleiche Typ erzählt hat, dass man schneller in den USA ist, als in einem anderen Staat (Quebec jetzt mal außen vorgelassen...).
Als meine Sport-Lehrerin meinte, sie Food Barrels für unseren Camping-Trip seinen "mehr oder weniger Bären-sicher".
Das sind solche Momente in denen ich realisiere, wie anders Kanada doch in manchen Punkten ist.

Aber anders in einem guten Sinn.

Und ich bin so glücklich hier zu sein...

Und jetzt heißt es genug gelabert, Lily!

Das war "Mein Auslandstagebuch #7: Du bust nicht mehr in Kansas, Dorothy!" und ich hoffe ihr schaltet auch beim nächsten Mal wieder ein! (Hier bitte selbstausgedachte Preview einfügen)

Mein Name ist Lily Thecoolestofallpersonsever und ich bedanke mich für ihre Aufmerksamkeit!

(Ihr wisst, dass die letzten Sätze in Talk-Show-Moderatisch gesagt wurden, oder?! Wenn nicht dann geht wieder hoch und lest sie nochmal in der richtigen Stimme!)

Peace out, isch bin raus...

Lily